Mandanten-Rundschreiben 07/2022 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

23.06. 2022



Allgemeines
Urlaubsberechnung bei "Kurzarbeit Null"

Das Bundesarbeitsgericht hat die Problematik der Urlaubsberechnung bei "Kurzarbeit Null" (vgl. 7/2021) jetzt höchstrichterlich wie folgt entschieden:
"1. Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage führt zu einer Neuverteilung der Arbeitszeit, infolge deren der Jahresurlaub entsprechend § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) neu zu berechnen ist. Die aufgrund der Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstage sind bei der Berechnung des Urlaubsumfangs nicht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen (...).

2. Das in Arbeitstagen Urlaub ausgedrückte Erholungsbedürfnis steht in einem inneren Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und verringert sich, wenn Arbeitstage infolge Kurzarbeit ausfallen (...). Die im Zusammenhang mit der Kurzarbeit gegenüber der Agentur für Arbeit bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Mitwirkungsobliegenheiten führen nicht dazu, dass aufgrund von Kurzarbeit ausgefallene Arbeitstage als Zeiten mit Arbeitspflicht gelten (...).

3. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nicht einseitig durch Ausübung des Direktionsrechts einführen. Es bedarf hierzu vielmehr einer besonderen einzelvertraglichen oder kollektivrechtlichen Grundlage, um die vertragliche Arbeits-und Vergütungspflicht einzuschränken (...)".

Im Urteilsfall befand sich eine Arbeitnehmerin in drei vollen Monaten durchgehend in Kurzarbeit Null. Nach Ansicht des Gerichts hat sie in den Zeiten der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche erworben. Damit steht ihr der Jahresurlaub nur anteilig in gekürztem Umfang zu. Der Arbeitgeber ist danach berechtigt für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null den Urlaub um 1/12 zu kürzen.
BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21 (DB 2022 S. 1204)

Verbeitragung eines Veräußerungsgewinns bei freiwillig gesetzlich Versicherten

Private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt, sind als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 2 EStG i.V. mit § 23 EStG grundsätzlich steuerpflichtig.
 
Darüber hinaus ist zu beachten, dass nach der Entscheidung eines Sozialgerichts bei freiwillig gesetzlich Versicherten der Gewinn auch noch der Verbeitragung durch die Krankenkasse unterliegt.

"1. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) zählen bei freiwilligen Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu den beitragspflichtigen Einnahmen iSd § 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze für Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz).

2. Maßgebend ist der im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Gewinn gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG.

3. Ein Verlustvortrag nach § 10d EStG ist nicht zu berücksichtigen."
Gegen das Urteil wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Die Entscheidung des Bundessozialge.richts bleibt abzuwarten.
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2021 – L 11 KR 2257/21 Revision eingelegt; Az. BSG: B 12 KR 9/21 R (DStR 2022 S. 949)

Einkommensteuer – Körperschaftsteuer
Besteuerung des Nutzungsersatzes nach Widerruf eines Darlehens

"Der aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs anlässlich des Widerrufs eines Darlehens erhaltene Nutzungsersatz für bereits erbrachte Zins-und Tilgungsleistungen stellt steuerpflichtige Kapitalerträge des Darlehensnehmers nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar."
 
Im vorliegenden Streitfall hatten die Steuerpflichtigen ein privates Immobiliendarlehen aufgenommen, das Darlehen nach Ablauf von 10 Jahren gekündigt und den Widerruf unter Verweis auf eine fehlende Widerrufsbelehrung erklärt.

Mit der Bank wurde eine Einigung über die Höhe einer Entschädigung für die Nutzung der bereits von den Steuerpflichtigen erbrachten Zins-und Tilgungsleistungen erzielt.
 
Umstritten ist, ob der anlässlich des Widerrufs eines Darlehens erhaltene Nutzungsersatz für bereits erbrachte Zins-und Tilgungsleistungen bei den Darlehensnehmern einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge darstellt.

Die Steuerpflichtigen vertreten die Auffassung, die Vergleichssumme stelle keine Kapitalerträge dar. Da auch diverse Finanzgerichte unterschiedlicher Rechtsauffassung sind, wurde die Revision zugelassen und auch eingelegt. Vergleichbare Fälle sollten offengehalten werden.
FG Münster, Urteil vom 13.01.2022 -3 K 2991/19 E Revision eingelegt; Az. BFH: VIII R 5/22 (EFG 2022 S. 480)

Teilwertzuschreibung bei Fremdwährungsdarlehen
Ungeklärt war bislang, ob und ggf. ab wann eine Teilwertzuschreibung bei Fremdwährungsdarlehen zulässig ist (vgl. 4/2019). Im Streitfall ging es um ein solches Darlehen in Schweizer Franken.

Diese Frage hat der Bundesfinanzhof wie folgt entschieden:
"1. Eine Teilwertzuschreibung wegen voraussichtlich dauernder Werterhöhung von Verbindlichkeiten aus Fremdwährungsdarlehen ist zulässig, wenn der Euro-Wert gegenüber der Fremdwährung aufgrund einer fundamentalen Änderung der wirtschaftlichen oder währungspolitischen Daten der beteiligten Währungsräume gesunken ist.

2. Eine solche Änderung ist anzunehmen, wenn sich die Verhältnisse zwischen den betroffenen Währungsräumen aus Sicht des Bilanzstichtages so außerordentlich und nachhaltig geändert haben, dass nicht angenommen werden kann, der Wechselkurs zu dem Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit werde sich ohne weiteres wieder einstellen.

3. Dies gilt für alle Fremdwährungsdarlehen, d.h. unabhängig davon, ob es sich um ein Darlehen mit unbestimmter oder mit bestimmter Restlaufzeit handelt und ob die Restlaufzeit mindestens zehn Jahre oder weniger beträgt."
BFH – Urteil vom 10.06.2021 – IV R 18/18 (GmbHR 2022 S. 371)

Fortbestehen Vorbehaltsnießbrauch bei Austausch des belasteten Grundstücks
Im Streitfall geht es um die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen eintreten, wenn eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie ohne Belastung veräußert wird und vereinbarungsgemäß am neuen Objekt, das mit dem Verkaufserlös erworben wird, wieder ein Nießbrauch bestellt wird.

"Steuerrechtlich kann von dem Fortbestehen eines Vorbehaltsnießbrauchs ausgegangen werden, wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Berechtigten gegen ein anderes Grundstück getauscht und diesem an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird.

Auch wenn sich zivilrechtlich der Nießbrauch an dem neuen Grundstück als Zuwendungsnießbrauch darstellt, setzt sich steuerrechtlich nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorbehaltsnießbrauch an dem neuen Grundstück als Surrogat fort."
 
Dies gilt auch dann, wenn der aus dem bisherigen Vorbehaltsnießbrauch verpflichtete Eigentümer erst durch den Veräußerungserlös, den er durch die lastenfreie Übertragung des Altgrundstücks erzielt, das neu zu erwerbende Grundstück vollständig finanzieren kann, und wenn bereits vor der Löschung des ursprünglich vorbehaltenen Nießbrauchs ausdrücklich vereinbart worden ist, dass künftig eine Nießbrauchsbestellung an dem neu erworbenen Objekt erfolgen muss, die zur Fortsetzung des bisherigen Nießbrauchsrechts bestimmt ist.
 
Das Gericht gewährte AfA bei der Vermietung des neu erworbenen Ersatzgrundstücks lediglich aus den anteiligen Anschaffungskosten des neuen Gebäudes, da sich der Vorbehaltsnießbrauch als Surrogat fortgesetzt hat, während die Steuerpflichtigen die AfA aus den gesamten Anschaffungskosen geltend machten, da ein entgeltlich erworbener Zuwendungsnießbrauch vorliege.
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2020 – 13 K 452/18 Revision eingelegt; Az. BFH: IX R 1/21 (EFG 2021 S. 1449)

Abzugsfähigkeit von baufachlichen Betreuungskosten
Umstritten war die sofortige Abzugsfähigkeit von Baubetreuungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Ver.mietung und Verpachtung (vgl. 3/2022).

Der BFH hat sich für eine weite Auslegung des Schuldzinsenbegriffs entschieden. "Unter den (weit zu verstehenden) Begriff der Schuldzinsen können auch Kosten für das sog. Projektcontrolling fallen, wenn sie als Finanzierungskosten zu beurteilen sind, weil die Auszahlung der Darlehensraten durch die Bank davon abhängt, dass im Rahmen des Controllings für die Bank relevante Unterlagen vorbereitet und Controlling-Reports erstellt werden."
BFH-Urteil vom 06.12.2021 – IX R 8/21, NV (DStR 2022 S. 979)

Erbschaftsteuer – Schenkungsteuer
Kosten in Steuerangelegenheiten des Erblassers

Kosten Haushaltsauflösung und Räumung einer Wohnung Zu diversen Zweifelfragen der Abzugsfähigkeit von Nachlassregelungskosten haben Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder u.a. wie folgt Stellung genommen.
 
Steuerberatungskosten, insbesondere für die Erstellung der ausstehenden ESt-Erklärung des Erblassers, können als Nachlasskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) abgezogen werden, wenn der Erblasser den steuerlichen Berater noch selbst beauftragt hat. Hierunter fällt auch eine über den Tod des Erblassers hinausgehende, nicht gekündigte Beauftragung.
 
Steuerberatungskosten, die dem Erben anlässlich einer Berichtigung für ursprünglich vom Erblasser abgegebene Steuererklärungen oder für Nacherklärungen für hinterzogene Steuern entstehen, sind als Nachlassregelungskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) abzugsfähig.

Auch abzugsfähig sind Kosten für die Abgabe von Steuererklärungen für solche Steuerverbindlichkeiten, die vom Erblasser herrühren und damit Nachlassverbindlichkeiten darstellen.
 
Grundsätzlich sind Kosten für die Räumung einer vom Erblasser selbst bewohnten Wohnung nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG)

Dagegen liegen abzugsfähige Nachlassregelungskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) vor, soweit die Auflösung des Haushalts des Erblassers darauf gerichtet ist, festzustellen, inwieweit die in der Wohnung befindlichen Gegenstände zum Nachlass gehören.
 
Aus Vereinfachungsgründen sind Kosten für die Auflösung des Haushalts und Räumung der Wohnung des Erblassers, welche in den ersten sechs Monaten nach dem Erbfall entstehen, der Feststellung des Nachlasses zuzurechnen und damit abzugsfähig.
Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 09.02.2022 – S 3810 (BStBl. 2022 Teil I S. 224)

Wegfall der Steuerbefreiung für ein Familienheim
Eine Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert (vgl. 5/2022).
 
In einem Erlass der Finanzbehörden wird erläutert, unter welchen Voraussetzungen die Steuerbefreiung nicht rückwirkend entfällt. "An einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert zu sein setzt voraus, dass objektiv zwingende Gründe dafür vorliegen.

Ein objektiv zwingender Grund liegt beispielsweise vor, wenn ein Familienheim innerhalb des 10-Jahreszeitraums aufgrund höherer Gewalt (z.B. durch Hochwasser, Starkregen, Unwetter, Sturm, Brand, Explosion) zerstört und seine tatsächliche Selbstnutzung dadurch beendet wird."

Der Erwerber ist nicht zum Wiederaufbau des Familienheims verpflichtet. Die zehnjährige Selbstnutzungspflicht endet mit dem Zeitpunkt der Zerstörung des ursprünglichen Familienheims.

Eine zeitweise Unbewohnbarkeit aufgrund höherer Gewalt, z.B. für den Zeitraum einer Sanierung oder aufgrund eines behördlich angeordneten Nutzungsverbots, kann zu einer tatsächlichen Unterbrechung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken führen.

Dies ist unschädlich, wenn das Familienheim unverzüglich nach Wiederherstellung der Bewohnbarkeit wieder zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. In diesem Fall liegt keine Aufgabe der Selbstnutzung durch längeren Leerstand vor.
Oberste Finanzbehörden der Länder, GLE vom 09.02.2022 – S 3812 (DStR 2022 S. 724)



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