Mandanten-Rundschreiben 08/2022 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

21.07. 2022



Allgemeines
Gesetzesänderungen
Steuerentlastungsgesetz 2022

(BGBl. 2022 Teil I S. 749)
Der Bundesrat hat am 20.5.2022 dem Steuerentlastungsgesetz 2022 zugestimmt. Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft, Teile davon mit Wirkung vom 1. Januar 2022. Nachfolgend in Grundzügen nur einige wesentliche Regelungen.

1. Einkommensteuer
1.1. Grundfreibetrag (§ 32a EStG) Der Grundfreibetrag wird auf 10.347 € erhöht (bisher 9.984 €). Damit soll zum Teil die kalte Progression und die Inflation ausgeglichen werden.
 Mit der Erhöhung werden insbesondere Bezieher niedrigen Einkommens stärker entlastet.

Die Vorschrift tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2022 in Kraft.

1.2. Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a EStG)
Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird – rückwirkend zum 1. Ja.nuar 2022 - um 200 € auf 1.200 € erhöht.

1.3. Entfernungs-Pauschale / Familienheimfahrten (§ 9 EStG) Auf Grund der erheblich gestiegenen Kraftstoffpreise wird die ursprünglich für den 1.1.2024 vorgesehene Anpassung der Pauschale ab dem 21. Entfernungskilometer auf 38 Cent rückwirkend auf den 1.1.2022 vorgezogen.

Unverändert 30 Cent bleibt die Pauschale bis zum 20. Kilometer. Die Erhöhung auf 38 Cent gilt auch rückwirkend ab 2022 für Steuerpflichtige bei Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung.

1.4. Energiepreispauschale (§ 112ff EStG)
1.4.1. Veranlagungszeitraum, Höhe (§ 112 EStG) Für den Veranlagungszeitraum 2022 wird Anspruchsberechtigten eine einmalige steuerpflichtige Energiepreispauschale in Höhe von
300 € gewährt.

Die Pauschale soll einen Ausgleich für die deutlich gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen gewähren.

1.4.2. Anspruchsberechtigung (§ 113 EStG) Anspruch auf die Energiepreispauschale haben unbeschränkt Steuerpflichtige, die im Veranlagungszeitraum 2022 aktiv tätig sind und Einkünfte erzielt haben aus – § 13 EStG Einkünfte aus Land-und Forstwirtschaft, § 15 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb, § 18 EStG Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst).

Anspruch haben auch z. B. kurzfristig oder geringfügig Beschäftigte ("Mini-Jobber"), Freiwillige i.S. des § 2 Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) und Freiwillige i.S. des § 2 Ju.gendfreiwilligendienstgesetzes (JFDG).

Die Pauschale steht jedem Anspruchsberechtigten nur einmal zu. Keinen Anspruch auf die Energiepreispauschale haben Personen, die ausschließlich ein passives Einkommen erzielen, insbesondere z.B. aus – § 21 EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, § 20 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen, oder § 22 EStG Sonstige Einkünfte (Rentenempfänger).

1.4.3. Entstehung des Anspruchs (§114 EStG) Der Anspruch auf die Pauschale entsteht am 1. September 2022.

Einen Anspruch haben auch solche Steuerpflichtige, bei denen die Voraussetzungen zu einem anderen Zeitpunkt im Jahr 2022 erfüllt sind.

1.4.4. Festsetzung mit der Einkommensteuerveranlagung (§ 115 EStG)
Die Energiepreispauschale wird grundsätzlich mit der Einkommensteuerveranlagung für den Veranlagungszeitraum 2022 festgesetzt.

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Pauschale vom Arbeitgeber ausgezahlt wurde.

1.4.5. Auszahlung an Arbeitnehmer (§ 117 EStG) Bei Arbeitnehmern wird die Energiepreispauschale mit der Lohnabrechnung September 2022 vom Arbeitgeber ausgezahlt, wenn sie am 1. September 2022 in einem gegenwärtigen ersten Arbeitsverhältnis stehen und in einer der Steuerklassen 1 bis 5 besteuert werden oder pauschal besteuerten Arbeitslohn (§ 40a EStG) beziehen.

In diesen Fällen können die Arbeitgeber die Energiepreispauschale gesondert vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer entnehmen, d.h. der Arbeitgeber ist im Ergebnis nicht belastet.

2. Bundeskindergeldgesetz (§ 6) Für jedes Kind, für das im Juli 2022 oder mindestens in einem anderen Kalendermonat im Kalenderjahr 2022 ein Anspruch auf Kindergeld besteht, wird ergänzend zum Kindergeld ein Ein.malbonus von 100 € ausgezahlt.

Weitere Erhöhung Mindestlohn Steigende Mini-und Midijob-Grenze
Zum 01. Juli 2022 wurde der Mindestlohn auf 10,45 € festgesetzt (vgl. 11/2021).

Jetzt hat der Bundesrat am 10. Juni 2022 eine weitere Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 einmalig per Gesetz auf 12,00 € brutto je Zeitstunde gebilligt.

Zukünftige Anpassungen werden dann wieder auf Vorschlag der Mindestlohnkommission erfolgen.
 
Bundesrat Kompakt, 1022. Sitzung am 10.06.2022 – Top 26 Mindestlohn
Die Anhebung des Mindestlohns wirkt sich auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung aus – die sog. Minijobs oder 450-Euro-Jobs.

Damit eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden zum Mindestlohn möglich ist, erhöht das Gesetz die Mini-Job-Grenze auf 520 €. Sie passt sich künftig gleitend an.

Die Höchstgrenze für sog. Midi-Jobs im Übergangsbereich steigt von derzeit 1.300 € auf 1.600 € monatlich.
 
Beschluss des Bundesrats vom 10.6.2022 – Top 26 Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung.

Einkommensteuer – Körperschaftsteuer
Fahrtkosten bei Studium

Nach einem BMF-Schreiben vom 25.11.2020 liegt ein Vollzeitstudium oder eine vollzeitige Bildungsmaßnahme insbesondere vor, wenn der Steuerpflichtige im Studium oder in der Bildungsmaßnahme für einen Beruf ausgebildet wird und daneben entweder keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder während der gesamten Dauer des Studiums oder der Bildungsmaßnahme eine Erwerbstätigkeit mit durchschnittlich bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit oder in Form eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S. der §§ 8 und 8a SGB IV ausübt.

Im Streitfall folgerte das Finanzamt daraus, dass bei den Fahrtkosten zwischen Wohnung und Universität von einer ersten Tätigkeitsstätte auszugehen sei und somit nur die Entfernungspauschale berücksichtigt werden könne, weil das Teil.zeitstudium des Steuerpflichtigen wegen der Erwerbslosigkeit des Steuerpflichtigen als Vollzeitstudium anzusehen sei.

Ein Finanzgericht entschied dies abweichend: "Ein Studium oder eine Bildungsmaßnahme ist auch in Zeiten einer Erwerbslosigkeit des Steuerpflichtigen nicht notwendig mit der Folge als Vollzeitstudium oder vollzeitige Bildungsmaßnahme zu qualifizieren, dass die steuerliche Berücksichtigung von Fahrtkosten auf die Entfernungspauschale begrenzt ist (entgegen Tz. 34 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl. I 2020 S. 1228)."

In entsprechenden Fällen sollten Steuerbescheide im Hinblick auf die zugelassene Revision angefochten werden.
Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.2.2022 4 K 113/20 Revision eingelegt; Az. BFH: VI R 7/22 (EFG 2022 S. 841)

Lohnsteuer
Zuschüsse des Arbeitgebers zu den sog. 9-Euro-Tickets

Für die lohnsteuerliche Behandlung von Zuschüssen des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für den öffentlichen Personennahverkehr während der Gültigkeitsdauer des sog. 9-Euro-Tickets gelten folgende Grundsätze:

1. Zuschüsse Zuschüsse, die Arbeitgebern ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel gewähren, sind hinsichtlich der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 15 EStG auf die Höhe der Aufwendungen des Arbeitnehmers beschränkt.
 
Für die Monate Juni, Juli und August 2022 wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn Zuschüsse des Arbeitgebers die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Tickets für öffentliche Verkehrsmittel im Kalendermonat übersteigen, soweit die Zuschüsse die Aufwendungen bezogen auf das Kalenderjahr 2022 insgesamt nicht übersteigen (Jahresbetrachtung).

Werden auf das Kalenderjahr 2022 bezogen insgesamt höhere Zuschüsse gezahlt, als der Arbeitnehmer Aufwendungen hatte, ist der Differenzbetrag steuerpflichtiger Arbeitslohn.
 
2. Arbeitgeberbescheinigung
Die steuerfreien Arbeitgeberleistungen mindern den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag und sind vom Arbeitgeber zu bescheinigen.

Bescheinigt werden müssen die gesamten nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse im Kalenderjahr.
BMF–Schreiben vom 30.05.2022 – IV C 5 – S 2351/19/10002 :007 (DStR 2022 S. 1113)

Pauschalierung der Lohnsteuer bei Betriebsveranstaltungen

Es bestehen in diversen gesetzlichen Vorschriften Regelungen zur Besteuerung von Betriebsveranstaltungen.
 
Einmal bei der Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG:
Der Arbeitgeber kann die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25% erheben, soweit er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).
 
Außerdem in den Vorschriften zur Besteuerung der nichtselbständigen Arbeit nach § 19 EStG: Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören u.a. Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung).

Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.

Laut Urteilssachverhalt stand eine Betriebsveranstaltung nur Führungskräften offen.

Strittig ist, ob der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschal mit 25% erheben kann, obwohl die Betriebsveranstaltung nicht allen Arbeitnehmern des Betriebs offenstand.
 
Hier kann man die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzung, dass die Veranstaltung allen Betriebsangehörigen offenstehen muss, nur in Bezug auf den Freibetrag gegeben ist, und damit nur Bedingung für die Anwendung des Freibetrags, nicht jedoch für die Pauschalversteuerung.
 
Nach Ansicht eines Finanzgerichts wird diese Auffassung abgelehnt:
"1. Die Lohnsteuer auf geldwerte Vorteile, die aus Anlass einer Betriebsveranstaltung zugewendet werden, die nur Führungskräften offensteht, kann nicht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG pauschal mit 25% erhoben werden.
 
2. Der Begriff der Betriebsveranstaltung in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist abweichend von der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 1 EStG auszulegen."

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
FG Köln, Urteil vom 27.1.2022 – 6 K 2175/20 Revision eingelegt; Az. BFH: VI R 5/22 (EFG 2022 S. 874)



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