Mandanten-Rundschreiben 11/2022 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

19.10. 2022



Allgemeines
Geplante Gesetzesänderungen
Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022)

Am 28. Juli 2022 hat das Bundesfinanzministerium mit dem Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes eine Reihe von Maßnahmen zur steuerlichen Erleichterung und Vereinfachung für Privatpersonen und Unternehmen vorgelegt.

Folgende Maßnahmen sind u.a. geplant.
Der Sparer-Pauschbetrag wird von 801 Euro auf 1.000 Euro für Alleinstehende und von 1.602 Euro auf 2.000 Euro für Ehegatten/ Lebenspartnerinnen und –partner erhöht.

Die bereits bei Banken hinterlegten Freistellungsaufträge werden automatisch um den anteiligen Betrag erhöht.

Der vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen soll bereits ab 2023 gewährt werden (bisher 96% im Jahr 2023 und 98% im Jahr 2024).

Bei der Riester-Rente ist eine Entbürokratisierung und Verbesserung für Personen geplant, die Kinder erziehen, wodurch Rückforderungen bereits gewährter Zulagen vermieden werden.

Der sogenannte Ausbildungsfreibetrag für volljährige Kinder, die eine Ausbildung durchlaufen und auswärts untergebracht sind, soll angehoben werden von 924 Euro auf 1.200 Euro.

Der lineare AfA-Satz soll für die Abschreibung von Wohngebäuden, die nach dem 30.06.2023 fertiggestellt werden, von 2% auf 3 % erhöht werden.

Einführung einer Ertragsteuerbefreiung für Photovoltaikanlagen bis zu einer Bruttonennleistung von 30 kW auf Einfamilienhäuser sowie Gewerbeimmobilien und bis zu 15 kW auf Wohn- sowie Gewerbeeinheiten.

Die bisher nur beschränkt für die Veranlagungszeiträume 2020 bis 2022 eingeführte Homeoffice-Pauschale wird entfristet. Außerdem wurde der Höchstbetrag von maximal 600 Euro pro Jahr auf 1.000 Euro pro Jahr angehoben. Der Tagessatz von 5 Euro bleibt unverändert.

Somit können Beschäftige bis zu 200 Tage, die sie im Homeoffice tätig waren, steuerlich geltend machen.

Steuerpflichtige, die zu Hause ein eigenes Arbeitszimmer nutzen und keinen Firmenarbeitsplatz haben, können künftig eine Jahrespauschale von 1.250 Euro geltend machen.

Ein Nachweis von individuellen Kosten ist nur dann notwendig, wenn über die Pauschale hinausgehende Kosten geltend gemacht werden.
Referentenentwurf des BMF – Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022) vom 28.7.2022

Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten

Das bisherige Abzinsungsgebot wurde auf Grund der aktuellen Niedrigzinsphase abgeschafft (vgl. 9/2022 – "Viertes Corona- Steuerhilfegesetz").

Verbindlichkeiten sind nunmehr unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen, d.h. grundsätzlich mit dem Nennwert. Eine Abzinsung ist nicht mehr vorzunehmen.

Die Neuregelung ist erstmals in nach dem31.12.2022 endendenWirtschaftsjahren anzuwenden. Auf formlosen Antrag kann vom Abzinsungsgebot bereits für frühere Wirtschaftsjahre abgesehen werden. Als Antrag gilt auch ein entsprechender Ansatz in der Steuerbilanz.

Sofern betroffene Veranlagungen nicht bestandskräftig sind, können z.B. infolge der Corona-Pandemie ausgereichte zinslose Soforthilfe-Darlehen ohne Abzinsung bilanziert werden.

Wurde eine Verbindlichkeit bisher unter Beachtung des Abzinsungsgebots passiviert, ergibt sich im ersten Wirtschaftsjahr ohne Abzinsung eine Gewinnminderung in Höhe des letzten Abzinsungsvolumens.

Das Abzinsungsgebot für Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG bleibt bestehen.
LSF Sachsen, Kurzinformation v. 22.6.2022 – 211 – S 2175/15/1- 2022/36534; Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 28/2022

Einkommensteuer – Körperschaftsteuer
Privates Veräußerungsgeschäft mit Grundstücken bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken

Grundstücksveräußerungen bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt, unterliegen nach § 23 EStG der Besteuerung.

Eine Ausnahme gilt für Grundstücke, die im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Gleiches gilt bei entsprechender Eigennutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren.

In einem Streitfall stellte sich die Frage, ob die erforderliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann erfüllt wird, wenn diese Nutzung baurechtlich gar nicht erlaubt ist. In dem Verfahren handelte es sich um ein voll erschlossenes Gartenhaus (mit 60 qm Wohnfläche) in einer Kleingartenanlage (Vgl. 08/2021).

Der BFH entschied in der Revision den Sachverhalt zu Gunsten des Steuerpflichtigen:
"Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem 'Gartenhaus' bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt."
BFH-Urteil vom 26.10.2021 – IX R 5/21 (BStBl 2022 II S. 403)

Berücksichtigung einer Leasing-Sonderzahlung im Rahmen der sog. Kostendeckelungsregelung

Die Besteuerung der privaten Kfz-Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs (Fahrtenbuchmethode oder 1%-Regelung) kann auch bei der pauschalen Wertermittlung nach der 1%-Methode zu Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung führen hinsichtlich der Wertermittlung des zu versteuernden Nutzungsvorteils und dessen mögliche Begrenzung durch die Gesamtaufwendungen (sog. Kostendeckelung).

Die Höhe der pauschalen Wertermittlung ist grundsätzlich nicht begrenzt, d.h. die pauschal bewertete Nutzungsentnahme kann die Gesamtaufwendungen für das Fahrzeug übersteigen, der Ertrag wäre höher als die tatsächlichen Aufwendungen.

Dies wird durch die sog. Kostendeckelung in solchen Fällen verhindert. Im Ergebnis werden damit höchstens die Gesamtkosten als Nutzungsentnahme besteuert.

Umstritten war bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach der Einnahme-Überschussrechnung ermitteln, ob hohe Leasingsonderzahlungen im ersten Jahr in voller Höhe abgesetzt werden können und damit in den Folgejahren geringere Gesamtaufwendungen anfallen.

Diesem Modell hat der BFH mit nachfolgendem Urteil die Grundlage entzogen:
„Es ist nicht zu beanstanden, dass bei Anwendung der Billigkeitsregelung zur Kostendeckelung im BMF-Schreiben v. 18.11.2009 (IV C 6 – S 2177/07/10004, BStBl. I 2009, 1326, DStR 2009, 2485 Rn. 18) für Zwecke der Berechnung der Gesamtkosten eines genutzten Leasingfahrzeugs eine bei Vertragsabschluss geleistete Leasingsonderzahlung auch dann periodengerecht auf die einzelnen Jahre des Leasingzeitraums verteilt wird, wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.“
BFH-Urteil vom 17.5.2022 – VIII R 26/20 (DStR 2022 S. 1708)

Gewerbesteuer
Keine Hinzurechnung von Entgelt für die Anmietung von Messestandflächen

Die Hinzurechnungsvorschriften des Gewerbesteuergesetzes sind immer wieder Anlass zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung bei einer Außenprüfung verneinte ein Finanzgericht im Klageverfahren die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Aufwendungen für eine Messestandfläche; der BFH bestätigte diese Auffassung:
"1. Die Kosten für die Anmietung einer Messestandfläche können bei einem ausstellenden Unternehmer nur dann zu einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG führen, wenn die Messestandfläche bei unterstelltem Eigentum des ausstellenden Unternehmens zu dessen Anlagevermögen gehören würde.

2. Zur Zugehörigkeit zum Anlagevermögen kommt es darauf an, ob der Geschäftszweck des betreffenden Unternehmens und auch die speziellen betrieblichen Verhältnisse (z.B. Bedeutung der Messepräsenz innerhalb des von dem Unternehmen praktizierten Vertriebssystems) das dauerhafte Vorhandensein einer entsprechenden Messestandfläche erfordert."

Hinweis:
In einem weiteren Revisionsverfahren (vgl. 6/2019 -FG Düsseldorf, Urteil vom 29.1.2019 – 10 K 2717/17 G – Az. BFH: III R 15/19) hat sich das Verfahren durch Zurücknahme der Revision vom 20.1.2022 erledigt.
BFH, Beschluss vom 23.3.2022 – III R 14/21 (DStZ 2022 S. 534)

Erbschaftsteuer – Schenkungsteuer
Beerdigungskosten als Erbfallkosten

Als Nachlassverbindlichkeiten sind gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.

Für diese Kosten wird insgesamt ein Betrag von 10.300 Euro ohne Nachweis abgezogen, wobei diese Pauschale pro Erbfall nur einmal zu gewähren ist. Die Gewährung des Pauschbetrags setzt lediglich voraus, dass auf Erwerberseite dem Grunde nach berücksichtigungsfähige Kosten iSd § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG entstanden sind.

Im Streitfall hatte die Erblasserin eine Sterbegeldversicherung abgeschlossen und das Bezugsrecht für die Versicherungssumme an ein Bestattungshaus abgetreten.

Das Finanzgericht und diverse Autoren in der Literatur sind der Auffassung, dass insoweit für die Erben keine abzugsfähigen Kosten entstehen.

"Beerdigungskosten sind für den Erben nicht als Erbfallkosten iSd § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig, wenn sie bereits zu Lebzeiten des Erblassers (hier: durch die Abtretung von Ansprüchen aus einer Sterbegeldversicherung an ein Bestattungsunternehmen) entrichtet wurden."

Die Revision wurde zugelassen. Die Frage, ob seitens der Erblasserin bereits entrichtete Bestattungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S.1 ErbStG abziehbare Kosten sind, war offensichtlich noch nicht explizit Gegenstand der finanzgerichtlichen Rechtsprechung.
FG Münster, Urteil vom 19.8.2021 – 3 K 1552/20 Erb Revision eingelegt; Az. des BFH: II R 32/21 (DStRE 2022 S. 924)

Grunderwerbsteuer
Anteilsvereinigung durch Erwerb eigener Anteile

Nach dem Grunderwerbsteuergesetz unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90% (Anm.: bis 30.6.2021 95%) der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden.

Das nachfolgende Urteil gibt Gelegenheit u.a. auf einen Sachverhalt hinzuweisen, der leicht übersehen werden kann.

"Erwirbt eine grundbesitzende Gesellschaft Anteile an sich selbst, sind diese bei der Ermittlung der grunderwerbsteuerlich relevanten Anteile nicht (mehr) zu berücksichtigen, so dass sich der Anteil der anderen Gesellschafter erhöht, was zum Erreichen der maßgeblichen Grenze (90%; bis 30.6.2021 95%) führen kann."
FG Münster, Urteil vom 19.5.2022 8 K 2516/20 GrE Revision eingelegt; Az. des BFH: II R 24/22 (EFG 2022 S. 1307)



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