Mandanten-Rundschreiben 12/2011 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

16.11. 2011



Allgemeines
Vorsicht bei Stellenzeigen


Bei Stellenanzeigen ist unbedingt das Diskriminierungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu beachten. Verstöße können zu erheblichen Entschädigungen führen.

Ein Oberlandesgericht hat in einem Streitfall den Inserenten zu einer Entschädigung an eine Bewerberin von rd. 13.000 € (ein Monatsgehalt) verurteilt, weil die Stellenanzeige "Geschäftsführer gesucht" gegen das Diskriminierungsverbot des AGG verstoße, da die Anzeige keinen Zusatz "../in" bzw. "m/w" enthielt. Aus diesem Grund können Frauen, die sich auf diese Stelle bewerben, eine Entschädigung verlangen.

In der Urteilsbegründung wird u.a. ausgeführt, dass die Höhe der Entschädigung auch abschreckende Wirkung haben müsse, d.h. geeignet sein müsse, den Arbeitgeber zukünftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten.

Im Streitfall kam hinzu, dass die Anzeige zweimal erschienen war und dass die Bewerberin gegen die für die Suche vom Unternehmen zwischengeschaltete Anwaltskanzlei erst die Zwangsvollstreckung einleiten musste, um die Entschädigungsansprüche geltend machen zu können.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.9.2011 17 U 99/10 (NWB Eilnachrichten 39/2011 S. 3264)

Elektronische Übermittlung von Bilanzen sowie von Gewinnund Verlustrechnungen
(EBilanz)


Nach § 5b EStG ist der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinnund Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Bei der Gewinnermittlung durch EinnahmenÜberschussrechnung ergibt sich eine analoge Verpflichtung aus § 60 Abs. 4 EStDV.

Das BMF hat zu dieser Thematik in einem umfangreichen Schreiben vom 28.9.2011 Stellung genommen. Wesentliche Inhalte dieses Schreibens sind.

1. Anwendung
Die Vorschrift ist grundsätzlich erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2011 beginnen, bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr damit für das Jahr 2012.

Die Verwaltung gewährt noch eine einjährige Übergangsfrist, so dass die elektronische Übermittlung zwingend erst für das darauffolgende Wirtschaftsjahr vorgeschrieben ist.

Härtefallregelung Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten (vgl. Rz 3 des BMFSchreibens vom 19.01.2010 IV C 6 S 2133b/0BStBl Teil I S. 47).

2. Taxonomie
Das Datenschema (die Taxonomie) für die Jahresabschlussdaten ist vorgeschrieben.

Für bestimmte Branchen sind gesonderte Spezial/ oder Ergänzungstaxonomien vorgegeben:
Spezialtaxonomien für Banken und Versicherungen, Ergänzungstaxonomien für Wohnungswirtschaft, Verkehrsunternehmen, Landund Forstwirtschaft, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Kommunale Eigenbetriebe.

Handelsrechtlich unzulässige Positionen dürfen nicht verwendet werden, steuerlich unzulässige Positionen sind im Rahmen einer Umgliederung/Überleitung aufzulösen.

3. Ausnahmeregelungen
Für die Kapitalentwicklung sowie für Sonderund Ergänzungsbilanzen bei Mitunternehmerschaften gelten bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr bis 2014 vereinfachende Ausnahmeregelungen.

Abschreibungen brauchen nicht übermittelt zu werden, wenn sich diese Daten aus einem freiwillig übermittelten Anlagespiegel ergeben.

4. Überleitungsrechnung (steuerlich)
Enthaltene handelsrechtliche Posten in der Bilanz sowie in der Gewinnund Verlustrechnung sind erforderlichenfalls mit einer Überleitungsrechnung auf den steuerlich zulässigen Wert anzupassen.

Anmerkung:
Auch wenn die Übergangsfrist (vgl. “Tz 1. Anwendung”) genutzt wird, besteht dringender Handlungsbedarf. So müssen z.B. die SoftwareProgramme rechtzeitig geändert/angepasst werden.
BMFSchreiben vom 28.9.2011 IV C 6 S 2133b/11/10009 (DStR 2011 S. 1906)

Umsatzsteuer
Vorsteuerabzug bei teilunternehmerisch genutzten Grundstücken


Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 wurde mit Wirkung zum 1.1.2011 der Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Grundstücke im Absatz 1b des § 15 UStG neu geregelt.

Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, ist die für Leistungen im Zusammenhang mit dem Grundstück in Rechnung gestellte Umsatzsteuer insoweit vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, als sie nicht auf die unternehmerische Verwendung des Grundstücks entfällt.

Diese den Vorsteuerabzug einschränkende Neuregelung beinhaltet das Ende des sogenannten "SeelingModells" (vgl. 7/2004 und 12/2006).

Die Finanzverwaltung hat jetzt in einem umfangreichen BMFSchreiben zu dieser gesetzlichen Neuregelung Stellung genommen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass geändert. Wesentlich erscheinen nachstehende Aspekte.

Zuordnungswahlrecht
Die neuen Bestimmungen des § 15 Abs. 1b UStG stellen lediglich eine Vorsteuerabzugsbeschränkung dar und berühren nicht das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers. Eine volle Zuordnung des Grundstücks zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen ist daher weiterhin möglich, wenn die unternehmerische Nutzung mindestens 10% beträgt.

Für diese Zuordnung wird von der Verwaltung eine schriftliche Mitteilung an das zuständige Finanzamt gefordert, die spätestens mit der Umsatzsteuererklärung des betreffenden Jahres einzureichen ist.

Exkurs:
Nach einem neuen BFHUrteil ist die Zuordnungsentscheidung "zeitnah" zu dokumentieren und muss dem Finanzamt innerhalb der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung eines Jahres, d.h. bis zum 31. Mai des Folgejahres mitgeteilt werden (vgl. BFHUrteil vom 7.7.2011 V R 42/09 (DStR 2011 S. 1949)!

Nutzungsänderung
Verändert sich später der unternehmerisch genutzte Anteil des Grundstücks, so führt dies zu einer entsprechenden Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG. Bei einer Erhöhung dieses Anteils ist aber nach Verwaltungsauffassung diese Vorsteuerberichtigung nur möglich, soweit das Grundstück dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden ist.

Bei einer zukünftig nicht ausgeschlossenen Erhöhung des unternehmerisch genutzten Anteils sollten daher Grundstücke mit derzeit mindestens 10%iger unternehmerischer Nutzung vorsorglich fristgerecht (vgl. vorstehenden Exkurs) vollumfänglich dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden.

Veräußerung
Grundstücksveräußerungen sind grundsätzlich nach § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfrei, geltend gemachte Vorsteuerbeträge sind gegebenenfalls nach § 15a UStG zu berichtigen.

Wird gemäß § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichtet und war das nur teilweise unternehmerisch genutzte Grundstück voll dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden, dann unterliegt der Umsatz in vollem Umfang der Umsatzsteuer.

Erfolgt die Grundstücksveräußerung dagegen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen mangelt es an einer Steuerbarkeit. Eine Vorsteuerkorrektur findet in diesem Fall beim Veräußerer nicht statt, denn der Erwerber tritt an dessen Stelle und ist damit der (neue) vorsteuerkorrekturgefährdete Unternehmer.

Anwendung
Die Änderungen sind nicht anzuwenden auf Anschaffungsoder Herstellungskosten von Grundstücken, die vor dem 1.1.2011 angeschafft worden sind oder mit deren Herstellung vor dem 1.1.2011 begonnen worden ist.
BMFSchreiben vom 22.6.2011 IV D 2 S 7303b/10/10001:001 (UR 2011 S. 564)

Umsatzsteuer bei Heilbehandlungen und Wellnessmaßnahmen

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind u.a. im Rahmen der Tätigkeit als Physiotherapeut oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 14 a UStG). Sowohl Physiotherapeuten als auch staatlich geprüfte Masseure üben arztähnliche Berufe aus (Abschn. 4.14.4 Abs. 2 und 11 UStAE).

Heilberufliche Leistungen sind steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

Die Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist in jedem Einzelfall nachzuweisen. Für Leistungen von Physiotherapeuten oder staatlich geprüften Masseuren ist entweder eine ärztliche Verordnung erforderlich oder die Leistungen müssen im Rahmen einer Vorsorgeoder Rehabilitationsmaßnahme erbracht werden.

Nicht unter die Steuerbefreiung fallen Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben oder ohne ärztliche Verordnung lediglich aus kosmetischen Gründen erfolgen und sog. Wellnessbehandlungen.

Behandlungen im Anschluss/Nachgang einer ärztlichen Diagnose, für die die Patienten die Kosten selbst tragen, sind grundsätzlich nicht als steuerfreie Leistung anzusehen. Damit sind Anschlussbehandlungen ohne ärztliche Verordnung steuerpflichtige Präventionsmaßnahmen.

Die steuerpflichtigen Leistungen, die typischerweise von Physiotherapeuten oder staatlich geprüften Masseuren erbracht werden (z.B. Heilmassagen, Heilgymnastik) und von den Krankenkassen grundsätzlich als Heilmittel anerkannt sind, unterliegen dem ermäßigten Steuersatz.

Übergangsregelung:
Für vor dem 1.1.2012 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn die Leistungen der Physiotherapeuten, die im Anschluss an eine ärztliche Diagnose erbracht werden und für die die Patienten die Kosten selbst tragen, dann als steuerfreie Heilbehandlung angesehen werden, wenn die Leistung auf die Diagnose des Arztes gestützt wird und weiterhin zur Behandlung der darin festgestellten Symptome dient.

FinMin. NRW Erlass v. 4.7.2011 S 7170 26 V A 4 (DB 2011 S. 2062)

Grunderwerbsteuer
Berechnung der Beteiligungsquote bei mittelbarer Beteiligung an grundbesitzender Gesellschaft


Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Erwerb einer mindestens 95%igen Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft (Kapitaloder Personengesellschaft) der Grunderwerbsteuer.

Die prozentuale Grenze gilt sowohl in Fällen der unmittelbaren als auch in Fällen der (nur) mittelbaren Beteiligung. Es genügt, dass auf jeder Beteiligungsstufe die Quote von 95% erreicht wird. Bei mehreren Beteiligungsstufen ist die für die Grunderwerbsteuer maßgebende Beteiligungsquote nicht durch Multiplikation der auf den jeweiligen Beteiligungsstufen bestehenden Beteiligungsquote zu ermitteln.

Auch die Übertragung von mindestens 95% der Anteile an einer Gesellschaft, die selbst keine Grundstücke hält, löst daher Grunderwerbsteuer aus, wenn diese Gesellschaft selbst (oder deren Tochtergesellschaften) an einer grundstückshaltenden Gesellschaft beteiligt ist (sind).

In einem Streitfall vor dem Bundesfinanzhof erwarb die Klägerin 96,92 % der Anteile an einer Gesellschaft, die ihrerseits wieder zu 97,5% an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt war. Obwohl die "wirtschaftliche Beteiligung" nur rd. 94,5% betrug (96,92% von 97,5%) ist in diesem Streitfall nach dem Urteil mit Recht Grunderwerbesteuer festgesetzt worden.

Der Bundesfinanzhof entschied: "Der Erwerb einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer, wenn die Beteiligungsquote von 95 % auf jeder Beteiligungsstufe erreicht wird. Eine Ermittlung der für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Beteiligungsquote durch Multiplikation der auf den jeweiligen Beteiligungsstufen bestehenden Beteiligungsquoten kommt nicht in Betracht."
BFHUrteil vom 25.8.2010 II R 65/08 (NWB 2011 S. 13)



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