Mandanten-Rundschreiben 05/2022 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

23.04. 2022



Allgemeines
Entwurf Viertes Corona-Steuerhilfegesetz

Das Bundeskabinett hat nachstehenden Entwurf beschlossen.
- Vom Arbeitgeber aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen an in bestimmten Einrichtungen – insbes. Krankenhäusern – tätige Arbeitnehmer gewährte Sonderleistungen zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise sollen bis zu einem Betrag von 3.000 € steuerfrei gestellt werden. Für alle übrigen Arbeitnehmer bleibt es bei den bisherigen 1.500 €.

- Die steuerliche Förderung der steuerfreien Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld soll um sechs Monate bis Ende Juni 2022 verlängert werden.

- Die bestehende Regelung zur Homeoffice-Pauschale (5 EUR/Tag, max. 600 EUR p.a.) soll um ein Jahr bis zum 31.12.2022 verlängert werden.

- Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens soll um ein Jahr verlängert werden für Wirtschaftsgüter, die im Jahre 2022 angeschafft oder hergestellt werden.

- Der Verlustrücktrag soll ab 2022 dauerhaft auf zwei Jahre ausgedehnt werden. Zusätzlich sollen die erhöhten Verlustrücktragswerte gemäß § 10d Abs. 1 EStG bis Ende 2023 verlängert werden. Auch für 2022 und 2023 soll der Verlustrücktrag somit bis zu 10 Mio. EUR bzw. 20 Mio. EUR bei Zusammenveranlagung möglich sein.

- Die Investitionsfristen für Reinvestitionen nach § 6b EStG und für steuerliche Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG, die in 2022 auslaufen, sollen um ein weiteres Jahr verlängert werden.

- Die Frist zur Abgabe von Steuererklärungen 2020 in beratenen Fällen soll um weitere drei Monate vom 31.5.2022 auf den 31.8.2022 verlängert werden.

- Die Abgabefristen für die Steuererklärungen 2021 und 2022 sollen ebenfalls verlängert werden:

- für Steuererklärungen 2021 von nicht beratenen Steuer- pflichtigen bis 30.9.2022, von beratenen Steuerpflichtigen bis 30.6.2023,

- für Steuererklärungen 2022 von nicht beratenen Steuerpflichtigen bis 31.8.2023, von beratenen Steuerpflichtigen bis 30.4.2024.

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise - Viertes Corona-Steuerhilfegesetz - (Bundesrat Drucksache 83/22 vom 25.2.2022)

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der AO und des Einführungsgesetzes zur AO
Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Gesetzgeber auferlegt bis zum 31. Juli 2022 eine Neuregelung der Vollverzinsung nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 zu treffen (vgl. 10/2021), da der bisherige Zinssatz von 6% pro Jahr nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Der Zinssatz für Zinsen nach 233a AO soll für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 rückwirkend auf 0,15% pro Monat, d.h. 1,8% pro Jahr gesenkt werden.

Der neue Zinssatz soll weder für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2019 gelten noch soll er für andere Zinsen (insbesondere Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen) gelten.

Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (NWB 2022 S.586)

Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG).
Der Nachweis der Krankheit wird durch eine ärztliche Arbeits- unfähigkeitsbescheinigung geführt. Diese Bescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel.

Den Beweiswert einer solchen Bescheinigung kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war.

Im vorliegenden Streitfall kündigte eine Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis und reichte noch am Tag des Zugangs der Kündigungserklärung bei ihrem Arbeitgeber eine Krankschreibung ein, die zeitlich gesehen auf den Tag genau der Länge der Kündigungsfrist entsprach.

Daraufhin verweigerte der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies anerkannt.

"Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsun- fähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst."
BAG - Urteil vom 8.9.21 – 5 AZR 149/21 (BAG Pressemitteilung vom 8.9.2021)

Einkommensteuer – Körperschaftsteuer
Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch

Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird u.a. kindergeldrechtlich berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).

Ungeklärt waren die Konsequenzen für ein während der Ausbildung erkranktes Kind. Diese Frage entschied der BFH wie folgt:
"1. Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern – z.B. durch Abmeldung von der (Hoch-) Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses – abgebrochen hat.

2. Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.

3. Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt."
BFH-Urteil vom 31.8.2021 – III R 41/19 (NWB-Eilnachrichten 8/2022 S. 482)

Zweitwohnungssteuer für ledige Steuerpflichtige im Rahmen der doppelten Haushaltsführung
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG unter bestimmten Voraussetzungen auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen.

Dabei können u.a. als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, beschränkt jedoch auf höchstens 1.000 EUR im Monat.

Bei der Zweitwohnungssteuer für eine zweite Wohnung am Arbeitsort stellt sich die Frage, ob die Zweitwohnungssteuer zu den im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung der Höhe nach nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten gehört. Dies ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Das Finanzgericht München hat zu Gunsten der Arbeitnehmerin folgende Entscheidung getroffen:
"1. Eine Zweitwohnungssteuer (hier: der Stadt München) für das Unterhalten einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (im Streitfall: München) im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung gehört nicht zu den "Unterkunftskosten" im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG und ist daher zusätzlich zu dem in der Vorschrift genannten Höchstbetrag von 1.000 EUR monatlich als Werbungskosten abziehbar (gegen BMF- Schreiben v. 24.10.2014, IV C 5 – S 2353/14/10002, BStBl 2014 S. 1412).

2. Zu den Unterkunftskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG gehören nicht die (gesamten) Kosten des Zweithaushalts, sondern nur die Kaltmiete zuzüglich der Betriebskosten. Nicht darunter fallen aber Aufwendungen, die mittelbar oder gelegentlich im Zusammenhang mit der Anmietung einer Wohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte entstehen, etwa durch melderechtliche Vorschriften wie der Anmeldung eines Nebenwohn-
sitzes und damit verbunden der Festsetzung einer Zweitwohnungssteuer."
FG München, Urteil vom 26.11.2021 – 8 K 2143/21 Revision eingelegt; Az. BFH: VI R 30/21 (EFG 2022 S. 322)

Umsatzsteuer
Umsatzsteuerpflicht für Schwimmunterricht einer privaten Schwimmschule

"Der Begriff Schul- und Hochschulunterricht umfasst nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht (Änderung der BFH-Rechtsprechung, Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Dubrovin & Tröger – Aquatics vom 21.10.2021 – C 373/19)"

Von der Umsatzsteuer befreit sind u.a. die unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (§ 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG).

Im vorliegenden Fall wandte sich der BFH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH, der den Begriff Schul- und Hochschulunterricht dahingehend auslegte, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht erfasst.

Ein Schul- und Hochschulunterricht müsse eine Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gewährleisten. Der Schwimmunterricht stelle demgegenüber für sich allein einen spezialisierten, punktuell erteilten Unterricht dar, der nicht den Anforderungen der Vermittlung eines breiten und vielfältigen Spektrums entspreche.
BFH-Urteil vom 16.12.2021 – V – R 31/21 (NWB-Eilnachrichten 11/2022 S. 731)

Erbschaftsteuer – Schenkungsteuer
Keine mehrfache Begünstigung von Familienheimen

Steuerfrei bleibt im Erbfall der Erwerb eines Grundstücks durch den überlebenden Ehegatten oder überlebenden Lebenspartner, soweit darin der Erblasser eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und diese beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.

Ein Finanzgericht hat zu weiteren Einzelfragen dieser Vorschrift wie folgt Stellung bezogen:
"1. Der Auszug des Erblassers aus der bislang eigengenutzten Immobilie unter gleichzeitiger Verlegung des Lebensmittelpunkts in eine andere eigengenutzte Immobilie ist nicht mit dem Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim aus zwingenden gesundheitlichen Gründen gleichzustellen.

2. Die Steuerbefreiung als Familienheim kann nur für ein einziges Objekt in Betracht kommen. Dies gilt sowohl bei gleichzeitiger Eigennutzung mehrerer Immobilien durch den Erblasser zu seinen Lebzeiten als auch im Falle zeitlich aufeinander folgender Eigennutzung verschiedener in seinem Eigentum stehender Immobilien.

3. Die Steuerbefreiungsvorschrift begründet kein Recht des Erben, nach dem Erbfall auszuwählen, welche von mehreren ererbten Immobilien, die vom Erblasser nacheinander zeitweise selbst genutzt worden und aufgrund zwingender Gründe jeweils wieder verlassen worden waren, als Familienheim begünstigt sein soll."

Nach den gesetzlichen Vorgaben ist die Eigennutzung durch eine Erblasserin bis zu ihrem Tod nur dann entbehrlich, wenn diese aus zwingenden Gründen an der Fortsetzung der Eigennutzung gehindert war. Als zwingender Grund in diesem Sinne gilt beispielsweise der Eintritt der Pflegebedürftigkeit verbunden mit dem Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim.
FG München, Urteil vom 16.6.2021 – 4 K 692/20 (DStR-AKTUELL 9/2022 S. XII)



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