Mandanten-Rundschreiben 06/2022 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

19.05. 2022



Allgemeines
(Kein) Mindestlohn für Pflichtpraktikanten


Nach § 1 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) hat jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Anspruch einer Klägerin, die ein Praktikum ohne Vergütung absolvierte, unter Verweis auf § 22 MiLoG abgelehnt.

Praktikanten die ein Pflichtpraktikum absolvieren, das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind.
BAG, Urteil vom 19.01.2022 – 5 AZR 217/21
(Pressemitteilung des BAG vom 19.01.2022)


Einkommensteuer – Körpersteuer
Privates Veräußerungsgeschäft mit Grundstücken bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken


Grundstücksveräußerungen bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt, unterliegen nach § 23 EStG der Besteuerung.

Eine Ausnahme gilt für Grundstücke, die im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Gleiches gilt bei entsprechender Eigennutzung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren.

Ein Finanzgericht hatte entschieden, dass eine baurechtswidrige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft bei einem Verkauf innerhalb von 10 Jahren nicht ausschließt (vgl. 8/2021).

Dieser Entscheidung des Finanzgerichts hat der BFH in der Revision zu Gunsten des Steuerpflichtigen widersprochen und entschieden:
"Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken iSd § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem "Gartenhaus" bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt."

In der Urteilsbegründung werden einige allgemein gültigen Grundsätze dargelegt:
"Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht.

Denn eine Nutzung zu "eigenen Wohnzwecken" setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden."

"Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält."
BFH-Urteil vom 26.10.2021 – IX R 5/21 (DStR 2022 S. 604)

Tarifermäßigung bei Überstundenvergütungen

Als außerordentliche Einkünfte kommen u.a. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht; mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 EStG).

In einem Streitfall hatte der Arbeitnehmer über mehrere Jahre Überstunden angesammelt. Nach Aufhebung des Arbeitsvertrags wurden diese in einer Summe an den Arbeitnehmer ausbezahlt.

Um die progressive Wirkung des Steuertarifs bei zusammengeballtem Zufluss von Lohnnachzahlungen zu mildern, sieht das Gesetz die Besteuerung mit einem ermäßigten Steuersatz vor.

"Werden Überstundenvergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet, ist die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 EStG zu gewähren."
BFH-Urteil vom 02.12.2021 – VI R 23/19 (Der Betrieb 2022 S. 779)

Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und Datenverarbeitung

Für die materiellen Wirtschaftsgüter "Computerhardware" sowie die immateriellen Wirtschaftsgüter "Betriebs- und Anwendersoftware" kann eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden (vgl. 5/2021-BMF-Schreiben vom 26.2.2021).

In einem aktualisierten BMF-Schreiben wird das bisherige BMF-Schreiben um folgende weiterführende Erläuterungen ergänzt.

1.1 Die betroffenen Wirtschaftsgüter unterliegen auch weiterhin
§ 7 Abs. 1 EStG. Die Möglichkeit, eine kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, stellt
- keine besondere Form der Abschreibung,
- keine neue Abschreibungsmethode und
- keine Sofortabschreibung dar.

Die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer stellt zudem auch kein Wahlrecht im Sinne des § 5 Abs. 1 EStG dar.

1.2 Auch bei einer grundsätzlich anzunehmenden Nutzungsdauer von einem Jahr gilt, dass
- die Abschreibung im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung, mithin bei Fertigstellung, beginnt,
- die Wirtschaftsgüter in das nach R 5.4 EStR 2012 zu führende Bestandsverzeichnis aufzunehmen sind,
- der Steuerpflichtige von dieser Annahme auch abweichen kann,
- die Anwendung anderer Abschreibungsmethoden grundsätzlich möglich ist.

Die Regelung findet auch für Überschusseinkünfte Anwendung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Satz 1 EStG).

Es wird nicht beanstandet, wenn abweichend zu § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Her- stellung in voller Höhe vorgenommen wird.
BMF – Schreiben vom 22.02.2022 – IV C 3 – S 2190/21/10002; 025 (BStBl 2022 Teil I S. 187)

Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer

Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen.

Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt.

Die Beschränkung der Höhe auf 1.250 € wiederum gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet.

Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers muss er außerdem nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.

Aufwendungen für gemischt genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind und die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang privat genutzt werden, sind insgesamt nicht abziehbar.

Durch ein jetzt nachträglich zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des BFH wurde ein weiteres Kriterium diskutiert.

"Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Unerheblich ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist.
Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung."
BFH-Urteil vom 03.04.2019 – VI R 46/17 (DStR 2022 S. 609)

Gewerbesteuer
Gewerbliche Infizierung einer freiberuflichen Partnerschaft

Strittig war in einem Fall, ob die für eine Partnerschaftsgesellschaft (Zahnärzte) festgestellten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (damit gewerbesteuerpflichtig) oder als solche aus selbständiger Arbeit zu veranlagen sind.

"1. Übt ein Mitunternehmer einer zahnärztlichen Partnerschaftsgesellschaft nur in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten und im ganz überwiegenden Umfang Tätigkeiten in den Bereichen Organisation, Verwaltung und Leitung der Partnerschaftsgesellschaft aus, so entspricht dies nicht mehr dem Leitbild der selb- ständig ausgeübten Tätigkeit als Zahnarzt.

2. Die Tätigkeit eines solchen Mitunternehmers ist dann als gewerblich anzusehen, auch wenn er approbierter Zahnarzt ist, und infiziert die gesamten Einkünfte der Partnerschaftsgesellschaft als gewerblich."

Im Streitfall erklärte einer der Ärzte der Partnerschaft, dass sein Aufgabebereich immer gewesen sei, alle Dinge für die Praxis zu erledigen, die außerhalb der eigentlichen Patientenbehandlung zum Betrieb einer Praxis gehören.

Nach den Ergebnissen einer Betriebsprüfung trug dieser Arzt mit eigenen freiberuflichen Umsätzen zu den Gesamtumsatzerlösen nur marginal mit einem Anteil von 0,028% bei.

In der Urteilsbegründung wird u.a. ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit nicht von der Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden können.

Die Hauptmerkmale des freien Berufs muss jeder Gesellschafter als Steuerpflichtiger in eigener Person positiv erfüllen. Die übernommenen Organisations- und Leitungsaufgaben seien in der Sache bloße Verwaltungs- oder Geschäftsführerleistungen, wie sie in vergleichbarer Weise auch bei Gewerbetreibenden anfallen können.

Anmerkung:
Der Streitfall ist auch im Hinblick auf andere freiberufliche Tätigkeiten von Interesse.
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.09.2021 – 4 K 1270/19 Revision eingelegt; Az. BFH: VIII R 4/22 (EFG 2022 S. 490)

Erbschaftsteuer – Schenkungsteuer
Abfindungszahlung im Scheidungsfall


Grundsätzlich unterliegen auch Schenkungen unter Ehegatten der Schenkungsteuer als freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

Hinweis:
Lediglich für die Zuwendung des selbstgenutzten Familienheims unter Ehegatten ist eine Steuerbefreiung gesetzlich geregelt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG).

Bei Abfindungszahlungen ist nach der Urteilsbegründung in einem BFH-Urteil zu unterscheiden zwischen Pauschalabfindungen für künftigen Zugewinnausgleichsanspruch und Bedarfsabfindungen.

Die Zahlung einer Pauschalabfindung unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichsanspruchs vor Eingehung der Ehe erfüllt als freigebige Zuwendung den Tatbestand der Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Es ist im konkreten Fall noch nicht klar, ob ein Zugewinnausgleichsanspruch überhaupt jemals entstehen wird. Die Zahlung wird auch nicht als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt.

Davon zu unterscheiden ist die sog. Bedarfsabfindung.
"Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind ("Bedarfsabfindung"), liegt keine freigebige Zuwendung vor."
BFH-Urteil vom 01.09.2021 – II R 40/19 (DStR 2022 S. 148)



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