Mandanten-Rundschreiben 07/2018 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

12.06. 2018



Allgemeones
Bundesfinanzhof bezweifelt Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen von 6%

Seit Jahren ist strittig, ob angesichts des seit einiger Zeit niedrigen Zinsniveaus der bei Steuernachzahlungen fällige Zins von 6% p.a. nach § 238 AO noch verfassungsgemäß ist (vgl. zuletzt 5/2018).

Jetzt hat der Bundesfinanzhof (BFH) bei Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.

Im Streitfall verlangte das Finanzamt im Anschluss an eine Außenprüfung für den Zeitraum vom 1.4.2015 bis 16.11.2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von 6%.

In einem Verfahren über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der BFH dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Bescheids in vollem Umfang ausgesetzt.

Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der summarischen Prüfung nicht. Für die Höhe des Zinssatzes fehle es an einer Begründung. Es bestünden über- dies schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem Übermaßverbot  entspreche.

Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen gehalten, zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung über die Höhe von Nachzahlungszinsen auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus  aufrechtzuerhalten sei.

Anmerkung:
Eine Entscheidung, ob die Höhe der Zinsen tatsächlich nicht verfassungskonform ist, wurde mit diesem Beschluss noch nicht getroffen.
Mit einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungs- gerichts ist jedoch in absehbarer Zeit zu rechnen; in bereits anhängigen Verfahren (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) wird nach einer Übersicht des Bundesverfassungsgerichts ein Verfahrensabschluss in 2018 angestrebt.
BFH-Beschluss vom 25.4.2018 – IX B 21/18 (BFH-Pressemitteilung Nr. 23/18 vom 14.5.2018)

Sozialversicherungspflicht von GmbH – Geschäftsführern
Erneut gelangten zwei Verfahren zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern bis zum Bundessozialgericht (BSG). Dieses Gericht hat seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt und entsprechende Entscheidungen der Vorinstanzen mit nachfolgenden  Grundsätzen bestätigt.

Geschäftsführer einer GmbH sind regelmäßig als Beschäftigte der GmbH anzusehen und unterliegen daher der Sozialversicherungspflicht.

Ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter der GmbH ist, ist nur dann nicht abhängig beschäftigt, wenn er die Rechtsmacht besitzt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen.

Dies wiederum ist regelmäßig der Fall, wenn er mehr als 50% der Anteile am Stammkapital hält (Mehrheitsgesellschafter).
Eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht ist ausnahmsweise auch dann anzunehmen, wenn er exakt 50% der Anteile hält oder bei einer noch geringeren Kapitalbeteiligung kraft ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag (Satzung) über eine umfassende ("echte"/qualifizierte) Sperrminorität verfügt, die es ihm ermöglicht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

In beiden Fällen betonte das Bundessozialgericht, dass es nicht darauf ankomme, dass ein Geschäftsführer im Außenverhältnis weitreichende Befugnisse habe und ihm häufig Freiheiten hinsichtlich der Tätigkeit, zum Beispiel bei den Arbeitszeiten, eingeräumt würden.

Entscheidend ist vielmehr der Grad der rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung.
BSG-Urteile vom 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R, B 12 R 5/16 R
(Bundessozialgericht, Pressemitteilung Nr. 14/2018 vom  15.3.2018)


Einkommensteuer – Körperschaftsteuer
Steuerliche Behandlung von Entschädigungen nach § 15 AGG

Mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wird das Ziel verfolgt, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG).

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen (§15 AGG).

Zur steuerlichen Behandlung solcher Entschädigungen gibt eine Verfügung Hinweise. Diese hängt dabei regelmäßig von der vom Gericht zugrunde gelegten Rechtsgrundlage ab.

1. Beim Ersatz von materiellem Schaden nach § 15 Abs. 1 AGG liegt regelmäßig steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, da der Ausgleich eines materiellen Schadens der steuerbaren Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen ist.

2. Der Ersatz eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist (immaterieller oder ideeller Schaden) nach § 15 Abs. 2 AGG ist nicht Ausfluss aus dem Arbeitsverhältnis. Die Entschädigung führt nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn und bleibt damit steuerfrei.
OFD NRW, Kurzinformation ESt Nr. 02/2018 vom 1.2.2018 (DB 2018 S. 417)

Forderungen aus Rückdeckungsversicherungen bei Einnahmen-Überschuss-Rechnung

In einem Streitfall hat ein Freiberufler, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, einer Beschäftigten eine Pensionszusage erteilt und zur Absicherung eine Rückdeckungsversicherung gegen Einmalbeitrag abgeschlossen.
Die Frage nach der sofortigen Abzugsfähigkeit des gesamten Beitrags entschied das Gericht wie folgt:

"1. Ein Rückdeckungsanspruch stellt eine Forderung gegen den Versicherer dar, die zum Umlaufvermögen gehört (Anschlussan die Rechtsprechung des 1. Senates des BFH).

2. Die Anschaffung eines Rückdeckungsanspruchs ist regelmäßig keine von § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG erfasste Anschaffung von Wertpapieren und vergleichbaren, nicht verbrieften Forderungen und Rechten des Umlaufvermögens."

Die vorstehende Zuordnung zum Umlaufvermögen hat bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung zur Folge, dass die Prämien (auch Einmalprämien) in vollem Umfang sofort als Betriebsausgaben abzusetzen sind.
BFH-Urteil vom 12.12.2017 – VIII R 9/14 (koesdi 2018 S. 20740)

Abgrenzung von Neubaumaßnahmen und begünstigten Handwerkerleistungen
Die Vorschrift des § 35a EStG gewährt u.a. Steuerermäßigungen bei Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Hierzu hat ein Finanzgericht klarstellend entschieden:
"1. Handwerkerleistungen sind nur begünstigt, wenn sie im räumlichen Bereich eines vorhandenen Haushalts erbracht werden. Damit können Handwerkerleistungen, die die Errichtung eines "Haushalts", also einen Neubau, betreffen, die Steuerermäßigung nicht vermitteln.

2. Weder die erstmalige Anbringung eines Außenputzes an einem Neubau noch die erstmalige Pflasterung einer Einfahrt bzw. Terrasse, die Errichtung einer Zaunanlage oder das Legen des Rollrasens im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus stellen nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigte Handwerkerleistungen  dar."

Nach Überzeugung des Gerichts sind die Maßnahmen auch dann als Neubaumaßnahmen zu verstehen, wenn sie sich nicht auf das Gebäude, sondern auf die Außenanlagen bezogen haben.

Anmerkung:
Das Gericht hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, denn die genaue Abgrenzung von Neubaumaßnahmen und begünstigten Maßnahmen betreffe jährlich eine Vielzahl von Bauherren.
Im Zweifelsfall sollte die Ermäßigung für entsprechende Maßnahmen daher vorsorglich weiterhin beantragt werden.
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.11.2017 – 6 K 6199/16 – Revision eingelegt - Az. BFH: VI R 53/17 (EFG 2018 S. 219)

Werbungskostenabzug für "Arbeitswohnung" bei Miteigentum von Ehegatten
Bei Aufwendungen für Arbeitszimmer ist zu unterscheiden zwischen häuslichem und außerhäuslichem Arbeitszimmer.

Ist die "Arbeitswohnung" nicht in die in einer anderen Wohnung befindlichen privat genutzten Räumlichkeiten einbezogen und auch nicht als gemeinsame Wohneinheit mit dieser Privatwohnung  verbunden,  liegt  ein  außerhäusliches Arbeitszimmer vor. Solche Aufwendungen können regelmäßig unbeschränkt in Abzug gebracht werden.

Dabei ist jedoch folgendes Urteil beachtenswert:
"Nutzt ein Miteigentümer allein eine Wohnung zu beruflichen Zwecken, kann er AfA und Schuldzinsen nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil als Werbungskosten geltend machen, wenn die Darlehen zum Erwerb der Wohnung gemeinsam aufgenommen wurden und Zins und Tilgung von einem gemeinsamen Konto beglichen werden."

Im Streitfall hatten die Eheleute – neben einer gemeinsamen, selbstgenutzten Eigentumswohnung – eine weitere, räumlich getrennte Wohnung in hälftigem Miteigentum erworben. Diese Wohnung wurde von der Ehefrau ausschließlich beruflich  genutzt.

Die Darlehen wurden gemeinsam aufgenommen, die Zinsen und die Tilgung sowie die laufenden Kosten wurden von einem gemeinsamen Konto bezahlt.

Die sog. nutzungsorientierten Aufwendungen (z.B. Energie) wurden in voller Höhe als Werbungskosten anerkannt, die sog. grundstücksorientierten Aufwendungen (z.B. AfA und Schuldzinsen) nur in Höhe des Miteigentumsanteils der Ehefrau.

Anmerkungen:
Aus rein steuerlicher Sicht hätte sich alternativ der Abschluss eines (angemessenen) Mietvertrags mit dem Ehemann über dessen Miteigentumsanteil oder mit beiden Ehegatten über das gesamte Grundstück angeboten.
BFH-Urteil vom 6.12.2017 – VI R 41/15 – (DB 2018 S. 801)

Gewerbesteuer
Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft

Nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gehört zum Gewerbeertrag einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Mitunternehmeranteils eines Gesellschafters, soweit es sich bei diesem Gesellschafter nicht um eine natürliche Person handelt.

Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos. Dass die Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft dabei die Gewerbesteuer schuldet, obwohl der Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils beim veräußernden Gesellschafter verbleibt, verletzt das Leistungsfähigkeitsprinzip  nicht.

Gleichzeitig wurde die Freistellung eines auf eine natürliche Person als Mitunternehmer entfallenden Veräußerungsgewinnanteils bestätigt.
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10.4.2018 – 1 BvR 1236/11 (DStR 2018 S. 731)

Grunderwerbsteuer – Grundsteuer
Einheitsbewertung und Erhebung der Grundsteuer sind verfassungswidrig

Einheitswerte für Grundbesitz werden nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes in den "alten" Bundesländern noch heute auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 ermittelt und bilden die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer.

Das Bundesverfassungsgericht hat erwartungsgemäß die derzeitige Ausgestaltung der Grundsteuer aufgrund der vorgelagerten Bewertung von Grundstücken als nicht verfassungskonform erklärt.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verfassungswidrige Rechtslage spätestens bis zum 31. Dezember 2019 durch eine Neuregelung zu beseitigen.

Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden.
Bundesverfassungsgericht, Urteile vom 10.04.2018 –
1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12
(Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr.  21/2018 vom  10.4.2018)



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