Mandanten-Rundschreiben 10/2012 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

10.09. 2012



Allgemeines
Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz FPfZG)

Das vorstehende Gesetz ist am 1.1.2012 in Kraft getreten.

Beschäftigte, die einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen, können ihre wöchentliche Arbeitszeit für die Dauer von maximal 2 Jahren auf wöchentlich mindestens 15 Stunden reduzieren.

Der Beschäftigte erhält für die Dauer der Pflegezeit eine Aufstockung seines Arbeitsentgelts in Höhe von 50% zwischen dem bisherigen Arbeitsentgelt und dem bei der reduzierten Arbeitszeit anfallenden Entgelt. Damit wird das Einkommen nur halb so stark reduziert wie die Arbeitszeit (z.B. Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 20 Std./ Woche führt zu 75% des letzten Bruttogehalts). Zum Ausgleich bleibt das Arbeitsentgelt nach Wiederaufnahme der normalen Arbeitszeit entsprechend vermindert.

Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gewährt dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen in Höhe des Aufstockungsbetrages, das nach Ablauf des Förderzeitraumes von maximal zwei Jahren in analogen monatlichen Raten wieder zu tilgen ist.

Die lohnsteuerlichen Auswirkungen sind in einem BMFSchreiben im Einzelnen geregelt. Besteuert wird grundsätzlich jeweils nur die tatsächlich ausbezahlte Arbeitsvergütung.

Familienpflegezeitgesetz (BGBl 2011 Teil I S. 2564)
BMFSchreiben vom 23.5.2012 IV C 5 S 1901/11/10005 (BStBl 2012 Teil I S. 617)


Einkommensteuer – Körperschaftsteuer
Au-pair-Aufenthalt als Berufsausbildung?

In der Praxis machen Kinder häufiger nach Abschluss der Schulausbildung eine "schöpferische Pause". Hierbei besteht die Gefahr, dass steuerliche Vergünstigungen verloren gehen.

So werden z.B. Kinder, die älter als 18 Jahre sind, u.a. nur dann berücksichtigt (Kindergeld/Freibeträge) , wenn sie noch nicht das
25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden. Hierzu dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind.

Ein Urteil zu einem Streitfall, in dem es um einen Au-pair-Aufenthalt im Ausland ging, gibt hierzu einige Anhaltspunkte für die Anerkennung einer Sprachausbildung im Ausland als Berufsausbildung.

"1. Sprachaufenthalte im Rahmen eines AupairVerhältnisses sind grundsätzlich nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn sie von einem durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretischsystematischen Sprachunterricht begleitet werden (Bestätigung der Rechtsprechung). Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (z.B. Blockunterricht oder Lehrgänge)."

"2. Darüber hinaus können Auslandsaufenthalte im Einzelfall als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vorund Nachbereitung hinausgehenden zusätzlichen Zeitaufwand erfordert (z.B. fachlich orientierter Sprachunterricht, Vorträge des Kindes in der Fremdsprache)."

"3. Auslandsaufenthalte, die von einer Ausbildungsoder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen
(z.B. TOEFL oder IELTS), können unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenun
terrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein."

BFHUrteil vom 15.03.2012 IIIR58/08 (DStZ 2012 S. 495)

Betriebsaufspaltung Pacht(teil)verzicht und Kürzung Betriebsausgaben
Ein Finanzgericht hat in einem Fall der Betriebsaufspaltung, in dem der Besitzunternehmer (Einzelunternehmer) nach mehrfachen Pachtreduzierungen gänzlich auf einen Pachtzins verzichtete, wegen gesellschaftsrechtlicher Veranlassung dieses Verzichts die Aufwendungen beim Besitzunternehmer nach § 3c Absatz 2 EStG nur teilweise zum Abzug zugelassen.

Mit dieser Entscheidung hat erneut ein Finanzgericht zu der Frage Stellung genommen, ob ein (Teil)Verzicht auf Pachteinnahmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu einer Kürzung der anzuerkennenden Betriebsausgaben des Besitzunternehmens führt. Bislang liegen unterschiedliche Entscheidungen von Finanzgerichten vor.

Anmerkungen:
Das Gericht hat die Revision zugelassen, weil derartige Fälle höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden sind. Strittige Fälle können daher offen gehalten werden.
FG Münster, Urteil vom 11.1.2012 10 K 4592/08 E Revision eingelegt; Az. BFH: X R 6/12 (EFG 2012 S. 676)

Schuldzinsenabzug bei Anschaffung/Herstellung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens
Betrieblich veranlasste Schuldzinsen sind u. U. nach § 4 Abs. 4 a Sätze 14 EStG nicht abziehbar, wenn sog. Überentnahmen getätigt werden.

Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungsoder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens dagegen sind nach § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG voll abzugsfähig.

Dieser unbegrenzte Schuldzinsenabzug setzt nicht voraus, dass ein gesondertes Darlehen aufgenommen wird. Auch die Finanzierung über ein Kontokorrentkonto wird erfasst (anders bisher die Auffassung der Finanzverwaltung), handelt es sich doch bei einer Kontokorrentverbindlichkeit ebenfalls um ein Darlehen.

"Die Finanzierung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens durch Belastung des Kontokorrentkontos reicht aus, um die dadurch veranlassten Schuldzinsen von der Überentnahmeregelung auszunehmen (entgegen Tz.27 des BMFSchreibens vom 17.11.2005, BStBl. I 2005, 1019)."

Allein entscheidend ist hiernach die tatsächliche Mittelverwendung.

Hinweis:
Bei derartigen Finanzierungen ist jedoch der bürokratische Folgeaufwand zu beachten. Bei der Finanzierung über ein gemischtes Kontokorrentkonto sind für die Berechnung der anteiligen Schuldzinsen drei Unterkonten zu führen. Ein Unterkonto für private Ausgaben, ein Unterkonto für sonstige betriebliche Ausgaben und ein Unterkonto für Anlageinvestitionen. Einnahmen bzw. Einlagen sind zugunsten des Steuerpflichtigen den Unterkonten in vorstehender Reihenfolge gutzuschreiben, zuerst daher dem Unterkonto "private Ausgaben".
BFHUrteil vom 23.2.2012 IV R 19/08 (BB 2012 S. 1724)

Verfassungsbeschwerde gegen vorrangige Berücksichtigung eines Verlustvortrags
In Einspruchsverfahren, in denen sich der Steuerpflichtige auf anhängige Verfassungsbeschwerden berufen kann, besteht die Möglichkeit, Ruhen des Verfahrens und unter bestimmten Voraussetzungen Aussetzung der Vollziehung zu beantragen (vgl. 7/2012 zur Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung).

Möglich ist dies jetzt auch zur Frage der Berücksichtigung eines Verlustvortrags vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen. Im Ergebnis geht durch die vorrangige Verrechnung die steuerliche Auswirkung der Sonderausgaben und a.g. Belastungen ganz oder teilweise verloren.

Nach Meinung des Bundesfinanzhofs begegnet der Vorrang des Verlustabzugs gemäß § 10d Abs. 2 EStG gegenüber Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gegen diesen Beschluss wurde jedoch Verfassungsbeschwerde eingelegt.
BFHBeschluss vom 9.4.2010 IX B 191/09 (Ubg 2012 S. 408); Az. Bundesverfassungsgericht: 2 BvR 1175/10

Umsatzsteuer
Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung

Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurden diverse Regelungen für elektronische Rechnungen umgesetzt, die am 1.7.2011 in Kraft getreten sind.

Für diese Neuregelungen wurde (erst) jetzt ein sehr umfangreiches Einführungsschreiben zur Anwendung der Neuregelungen herausgegeben.

Nachfolgend nur einige wesentliche Punkte dieses Schreibens:
> Es können seit 1.7.2011 u.a. auch Rechnungen, die per email (ggf. mit Bilddateioder Textdokumentenanhang) übermittelt werden, zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Bisher wurden auf elektronischem Weg übermittelte Rechnungen umsatzsteuerlich nur anerkannt, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein EDIVerfahren verwendet wurde.

> Papier- und elektronische Rechnungen sind gleich zu behandeln; dies führt zu keiner Erhöhung der Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Papierrechnung.

> Die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung muss gewährleistet sein. Eine inhaltlich richtige Rechnung (richtige Leistung, richtiger Leistender, richtiges Entgelt, richtiger Zahlungsempfänger) rechtfertigt die Annahme, dass bei der Übermittlung keine die Echtheit der Herkunft oder die Unversehrtheit des Inhalts beeinträchtigende Fehler vorgekommen sind. An dieser Zielrichtung haben sich die Anforderungen an das innerbetriebliche
Kontrollverfahren (§ 14 Abs. 1 UStG) zu orientieren. Es muss ein verlässlicher Prüfpfad zwischen Rechnung und zugrunde liegender Leistung geschaffen werden. Dies kann auch durch einen manuellen Abgleich der Rechnung mit vorhandenen Geschäftsunterlagen (z.B. Kopie der Bestellung, Auftrag, Kaufvertrag, Lieferschein, Überweisungs- oder Zahlungsbeleg) erfolgen.

> Elektronische Rechnungen müssen in elektronischer Form aufbewahrt werden. Ein Ausdruck auf Papier reicht nicht aus.

Anmerkung: Bei Umsetzung der elektronischen Rechnungsstellung in der Praxis müssen die Vorgaben des BMFSchreibens unbedingt beachtet werden, damit bei späteren Prüfungen die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens nicht in Frage gestellt werden kann. Eine gesonderte Dokumentation des Kontrollverfahrens ist nicht zwingend erforderlich, die Rechnungsprüfung sollte gleichwohl nachvollziehbar sein.
BMFSchreiben vom 2.7.2012 IV D 2 S7287a/09/10004 (DB 2012, S. 1540)

Grundsteuer – Grunderwerbsteuer
Grunderwerbsteuerbefreiung bei Anteilsvereinigung durch Anteilsschenkungen

(Änderung der Rechtsprechung)
Grunderwerbsteuer fällt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch an bei fiktiven, zivilrechtlich nicht vorhandenen Grundstückserwerben.

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft (z.B. Kapitalgesellschaft) ein inländisches Grundstück, löst Grunderwerbsteuer auch eine Gesellschaftsanteilsübertragung aus, wenn sich durch diese Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95% der Gesellschaftsanteile in einer Hand vereinigen.

Ein Erwerb des Grundstücks von der Gesellschaft durch den Anteilskäufer wird in diesen Fällen fingiert und besteuert.

Hierzu wurde jetzt in Änderung der bisherigen Rechtsprechung vom Bundesfinanzhof entschieden, dass die Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit ist, als sie auf einer schenkweisen Übertragung der Anteile beruht.

Nach der Begründung des Urteils sollen sich Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer gegenseitig ausschließen. Bei geschenkten Anteilen ist daher kein Raum mehr für die Erhebung von Grunderwerbsteuer, auch nicht bei einer Anteilsvereinigung von 95% oder mehr.

Andererseits aber wird in solchen Fällen insoweit Grunderwerbsteuer erhoben, als die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage durch Abzüge gemindert ist (z.B. Nießbrauchslast).

Personenbezogene Befreiungsvorschriften finden für den fiktiven Grundstückserwerb von einer Kapitalgesellschaft keine Anwendung.

Anmerkung:
Bei Personengesellschaften geht die Regelung des § 1 Abs. 2a GrEStG vor. Nur wenn z.B. alle Anteile der Komplementäre und Kommanditisten einer GmbH & Co KG auf einen (einzigen) neuen Gesellschafter übergehen, greift § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.

Hinweis:
Gegebenenfalls kann eine Grunderwerbsteuer auslösende Anteilsübertragung nachträglich korrigiert werden (BFHUrteil vom 18.4.2012 II R 51/11 (DStR 2012 S. 1342).
BFHUrteil vom 23.5.212 II R 21/10 (DStR 2012 S. 1444)



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