Mandanten-Rundschreiben 8/2011 / Steuertermine / Gesetzesänderungen

12.07. 2011



Allgemeines

Basis/Verzugszinssatz
Der Basiszinssatz nach § 247 BGB – z.B. als Bezugsgröße für die Berechnung von Verzugszinsen – wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli neu festgesetzt.

Dieser Basiszinssatz wurde ab 1. Juli 2011 auf 0,37% (bisher 0,12%) erhöht.

Der Verzugszinssatz beträgt damit nach § 288 BGB
> für Verbrauchergeschäfte 5,37% (bisher 5,12%),
> bei Handelsgeschäften 8,37% (bisher 8,12%).


Neue Pfändungsfreigrenzen ab 1.7.2011
Liegt dem Arbeitgeber ein Pfändungsund Überweisungsbeschluss vor, ist der Arbeitgeber nicht mehr berechtigt, das pfändbare Arbeitseinkommen an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Dabei sind Grenzen zu beachten, bis zu denen das Arbeitseinkommen unpfändbar ist.

Ab 1.7.2011 gelten neue Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO, für einen monatlichen Lohnzahlungszeitraum z.B. Grundfreibetrag 1.028,89 € (bisher 985,15 €)

Freibeträge für unterhaltsberechtigte Personen

– erste Person 387,22 € (bisher 370,76 €)
– zweite bis fu?nfte Person jeweils 215,73 € (bisher 206,56 €)

Hinweis:
Bei der Ermittlung des pfändbaren Arbeitseinkommens ist zu beachten, dass Teile dieses Einkommens unpfändbar (§ 850a ZPO) sind, so z.B. die Hälfte des für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Lohns sowie Weihnachtsgeld bis zur Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens (max. jedoch 500 €).
Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011 vom 9.5.2011 (BGBl. I v. 17.5.2011 S. 825)

Monatliche Bankgebühren für Führung eines Darlehenskontos unzulässig
Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Klausel über die Zahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam ist.

Die Bank verwendete im Streitfall gegenüber ihren Privatkunden in ihren Allgemeinen Bedingungen für Darlehensverträge eine Klausel, durch welche sie sich beim Abschluss von Darlehensverträgen die Bezahlung einer monatlichen Gebühr für die Führung des Darlehenskontos versprechen lässt.

Nach gesetzlicher Regelung (§ 307 BGB) sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies sah das Gericht im Streitfall als gegeben an. Die Kontoführungsgebühr diene nicht der Abgeltung einer vertraglichen Gegenleistung oder einer zusätzlichen Sonderleistung der Bank. Die Bank führe das Darlehenskonto ausschließlich zu eigenen buchhalterischen bzw. Abrechnungszwecken.
BGHUrteil vom 7.6.2011 XIZR388/10
(Pressemitteilung BGH Nr. 97/2011 v. 7.6.2011)


Quotale Haftung von GbRGesellschaftern
Insbesondere im Rahmen von geschlossenen Immobilienfonds ist bei der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts anstatt der gesetzlichen Vollhaftung die "quotale Haftung" der Gesellschafter vorgesehen.

Der Bundesgerichtshof hat in zwei aktuellen Urteilen zu dieser Thematik Stellung bezogen und zwei oberlandesgerichtlichen Urteilen widersprochen.

Die "quotale Haftung" ist nicht gesetzlich geregelt, aus diesem Grunde richten sich die Beziehungen zwischen einer finanzierenden Bank, der Gesellschaft selbst und deren Gesellschaftern nach dem Darlehensvertrag und dort geregelten Vereinbarungen.

Ohne besondere Vertragsklauseln mit der Bank haftet der Gesellschafter im Umfang seiner anfänglichen quotalen Beteiligung. Zwischenzeitlich erfolgte Darlehenstilgungen durch die Gesellschaft selbst mindern das Haftungsvolumen des "quotal haftenden" Gesellschafters nicht.

Beispielhaft ergeben sich folgende Konsequenzen: GbR mit drei Gesellschaftern Bankdarlehen anfänglich 3 Mio €. Die quotale Haftung des einzelnen Gesellschafters beläuft sich auf 1 Mio € (1/3 von 3 Mio €); wurde das Bankdarlehen aus Gesellschaftsmitteln inzwischen bis auf einen Rest von 1 Mio € getilgt, so verbleibt es gleichwohl für jeden Gesellschafter bei seinem ursprünglichen Haftungsvolumen in Höhe von 1 Mio €.
Bei angenommener Insolvenz von zwei Gesellschaftern haftet damit der "Dritte" für die gesamten Restschulden in Höhe von 1 Mio €.
BGHUrteile vom 8.2.2011 II ZR 243/09 bzw. II ZR 263/09 (NWB 2011 S. 2217)

Einkommensteuer – Körperschaftsteuer

Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten nach Veräußerung eines Grundstücks?
Der Bundesfinanzhof hatte im Vorjahr seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass nachträgliche Schuldzinsen bei Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (§ 17 EStG) dann als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wenn der Verkaufserlös nicht zur Tilgung des bei der Anschaffung der Beteiligung aufgenommenen Darlehens ausreicht (BFHUrteil v. 21.7.2010 VIIIR20/08, BStBl. II S. 787).

Diesem Urteil kommt im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Einführung der Abgeltungsteuer und dem damit verbundenen Wegfall des Werbungskostenabzugs keine grundsätzliche praktische Bedeutung mehr zu (Ausnahme: GmbHGesellschafter bei “Werbungskostenoption” auf Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG).

Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Rechtsprechungsänderung auch Auswirkungen hat bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sind daher nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzugsfähig, wenn der Veräußerungspreis nicht zur vollständigen Tilgung eines aufgenommenen Darlehens reicht?

Ein Finanzgericht hat diese Frage verneint. Der wirtschaftliche Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ende, so die Meinung dieses Gerichts, sobald das Grundstück nicht mehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmt sei.

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, die Frage liegt nun auch in einem weiteren Revisionsverfahren zur Beantwortung beim Bundesfinanzhof.
FG BadenWürttemberg, Urteil vom 1.7.201013K136/07;
Az beim Bundesfinanzhof: IXR67/10 (EFG 2011 S. 1052)
FG Köln, Urteil vom 30.3.2011 9 K 3079/10 Az BFH: IXR16/11


Kilometerpauschale für Dienstreisen verfassungsgemäß?
Benutzen Arbeitnehmer ihren privaten PKW mit Zustimmung des Arbeitgebers für eine Dienstfahrt, kann der (private) Arbeitgeber pro gefahrenen Kilometer pauschal 0,30 € steuerfrei ersetzen.

Erhält der Arbeitnehmer keinen Kostenersatz vom Arbeitgeber, kann er in seiner Steuererklärung diesen pauschalen Betrag von 0,30 €/km ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Kosten als Werbungskosten geltend machen.

Diese Regelung gilt analog für Unternehmer bei Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs.

Im Hinblick darauf, dass diverse Bundesländer im öffentlichen Dienst Wegstreckenentschädigungen von 0,35 €/km bezahlen, stellt sich die Problematik einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Bediensteten öffentlicher Arbeitgeber und Arbeitnehmern der privaten Wirtschaft.

Nachdem ein Finanzgericht und auch der BFH in einer Nichtzulassungsbeschwerde den pauschalen Betrag von 0,30 €/km für verfassungsgemäß halten (u.a. weil jeder Steuerpflichtige seine tatsächlich höheren Kosten nachweisen und geltend machen kann), hat der Kläger Verfassungsbeschwerde eingelegt. Es bleibt daher abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet.

FG Baden Württemberg, Urteil vom 22.10.2010 10 K 1768/10 (EFG 2011 S. 225)
BFHBeschluss vom 15.3.2011 VI B 145/10 Verfassungsbeschwerde eingelegt:Az: BVerfG 2 BvR 1008/11)

Gewerbesteuer

Insolvenzverwaltertätigkeit als sonstige selbständige Arbeit Aufgabe der sogenannten Vervielfältigungstheorie
(Änderung der Rechtsprechung)

Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören neben den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Absatz 1 Nr. 1 EStG) auch Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von § 18 Absatz 1 Nr. 3 EStG, z.B. Vergütungen für die Voll
streckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied.

Die Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit unterscheidet sich dabei von der gewerblichen Einkünfteerzielung insbesondere dadurch, dass die persönliche Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen im Vordergrund steht.

Hieraus entwickelte sich die sogenannte Vervielfältigungstheorie, wonach bei Beschäftigung von mehr als einem qualifizierten Mitarbeiter keine selbständige Arbeit mehr vorliegt. Dieser Theorie kam nach bisheriger Rechtsprechung bei den Einkünften aus sonstiger selbständiger Tätigkeit Bedeutung zu.

Der Bundesfinanzhof hat diese Rechtsprechung nunmehr aufgegeben.

Einkünfte aus einer Insolvenzverwaltertätigkeit sind, auch wenn diese von Rechtsanwälten erzielt werden, grundsätzlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. von § 18 Absatz 1 Nr. 3 EStG.

"Dies gilt auch dann, wenn der Insolvenzverwalter oder Zwangsverwalter die Tätigkeit unter Einsatz vorgebildeter Mitarbeiter ausübt, sofern er dabei selbst leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt; insoweit ist § 18 Absatz 1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 entsprechend anzuwenden."
Nach § 18 Absatz1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 ist der Angehörige eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich zwar der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, er aber aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht dem nicht entgegen.
BFHUrteil vom 15.12.2010 VIII R 50/09 (DStR 2011 S. 563)

Umsatzsteuer

Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung für eine Organschaft

Auf die Rechtsprechungsänderung des BFH zu den Voraussetzungen einer finanziellen Eingliederung für die umsatzsteuerliche Organschaft im Hinblick auf Betriebsaufspaltungen wurde hingewiesen (vgl. 9/2010).

Die Finanzverwaltung hatte die Entscheidung über die Anwendung dieser geänderten Rechtsprechung zurück gestellt, da ein weiteres Verfahren anhängig war (vgl. 4/2011). Die Entscheidung in diesem Verfahren wurde jetzt veröffentlicht. Auch dieses Urteil bestätigt die Änderung der Rechtsprechung.

"Eine finanzielle Eingliederung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt sowohl bei einer Kapitalgesellschaft als auch bei einer Personengesellschaft als Organträger eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung der Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft an der Organgesellschaft voraus. Deshalb reicht es auch für die finanzielle Eingliederung einer GmbH in eine Personengesellschaft nicht aus, dass letztere nicht selbst, sondern nur ihr Gesellschafter mit Stimmenmehrheit an der GmbH beteiligt ist (Änderung der Rechtsprechung des BFH, Urt. v. 20.1.1999 XI R 69/97, UR 1999, 491 BFH/NV 1999, 1136)."

Anmerkung:
Es muss davon ausgegangen werden, dass die Finanzverwaltung diese Rechtsprechungsänderung künftig wie zu hoffen ist mit einer Übergangsregelung anwenden wird. Eine Entscheidung darüber liegt noch nicht vor.
BFH, Urteil vom 1.12.2010 XI R 43/08 (UR 2011 S.456)



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